MOVING ROCKS – D, 2007, 93 / 72´ | FILM | COLABORATIONS | CONTACT

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ICH

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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ICH

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


erzähle warum
AUCH
der nächste
Krieg
ein sinnloser sein wird

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

01

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

01

Also die moderne Sozialpsychologie geht heute davon aus, daß wir durch sechs, sieben Grundbedürfnisse gesteuert werden. Die Grundbedürfnisse sind alt, evolviert – ca. zwei, wahrscheinlich drei Millionen Jahre – und kommen im Prinzip aus der Notwendigkeit, ein Individuum dazu zu bringen, sich unter möglichst komplexen Bedingungen zur Fortplanzung zu bringen. a) Überleben – b) Fortzuplanzen. Und wenn man jetzt sagt, was sind die wichtigsten Grundbedürfnisse, kann man erstens sagen Kontrolle. Und Sicherheit – oder zumindest die Illusion von Sicherheit. Zweitens Soziale Eingebundenheit. Das heißt zunächst mal soziale Vernetztheit aber auch b) sozialer Aufstieg, wo wir schon zum dritten und zum vierten kommen. Das ist die Macht, die sicherlich gekoppelt ist mit der Notwendigkeit, einen sozialen Aufstieg zu machen. Notwendigkeit heißt, je weiter oben ich bin desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, daß ich mich fortpflanze und anständig ernähre. Dann kommen Lust und Sexualität, was mich antreibt, mich überhaupt fortzupflanzen. Dann kommt Neugierde, was mich dazu bringt, im Endeffekt mir Ressourcen anzueignen und Umgebungen so zu ordnen, daß ich sie steuern kann. Das ist wahrscheinlich der Hauptprozeß. Also mir Umgebung zur Verfügung zu stellen. Das kann jetzt mechanisch sein, indem ich einfache Dinge zusammensetze, das kann aber auch sozial sein, indem ich anfange, zu verstehen: Wie funktionieren denn Sozialzusammenhänge und andere, damit ich sie manipulieren kann, sodaß sie das machen, was ich eigentlich will.
Basistheorie: „The selfish gene“. Das heißt, wir gehen einfach mittlerweile davon aus, daß die ganze Sozialbiologie und Sozialpsychologie nur verstanden werden kann, wenn wir davon ausgehen, daß ein starker Trend besteht der jeweiligen DNA, sich den Menschen nutze zu machen, um sich fortzusetzen. Das ist die Grundidee. Das klingt bösartig, spätdarwinistisch und fürchterlich, aber wissenschaftlich ist es das, was im Augenblick zieht. Und in aller Regel leiden wir im Augenblick daran, daß wir unsere Freiheitsgrade gnadenlos überschätzen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

MOVING ROCKS

 eine filmische Fiktion

 

 

von
Martin Lorenz  und  Simon Quack

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 bohus_01

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

02

Also ehrlich gesagt: Wenn ich eine Gesellschaft konstruieren müßte, die funktionieren soll für das Klonen, dann würde ich sagen: Es funktioniert dann, wenn Du Deine Klonierung erarbeiten mußt. Also ich glaube, ich wäre so ein Art Sozialfaschist indem ich sagen würde: Um Dich zu klonen mußt die und die Form von Leistung erbringen, die vielleicht am besten zumindest Deinem Potential angemessen wäre, ja? Und, dann bist Du ja wieder auf dem uralt evolutionären Prozeß, d.h. Du hast was zu tun, mußt Dich anstrengen und arbeiten, und wenn Du eine bestimmte Punktzahl erreicht hast, darfst Du Dich einmal klonieren. Wenn Du denn brav bist, darfst Du noch ein zweites und drittes Mal; dann hast Du was zu tun, bist bei Laune und zur Belohnung sind Deine Gene reproduziert – damit hast Du den Uraltmechanismus wieder. Vielleicht wäre es sogar eine Rettung.
Ziemlich blöd wäre es, wenn Du Dich wahllos klonen könntest. Ich glaube, dann hättest Du echt ein Problem. Also wenn eine Gesellschaft funktionieren soll – die dominante Gesellschaft – die würde „License to be cloned“ an Leistung koppeln.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

03

Zum ersten Mal weiß ich nicht – ich weiß zu wenig über Geschichte – aber ich denke, wir sind in einer Situation, in der das nicht mehr korreliert.
Und zwar beides. Also Du kriegst ja eigentlich fast alles im Übermaß. Du hast ja alles, d.h. Du kriegst Versorgungsmittel, Du kriegst Reproduktionsmittel, Du kriegst alles im Übermaß, und es ist unabhängig von dem, was Du machst. Und damit kommst Du einfach in eine relativ dicke Irritation rein. Und wir haben es immer noch nicht verstanden. Es ist immer noch so, daß man denkt, das Problem ist, daß manche zu wenig haben. Das Problem ist, daß sie es einfach für umme kriegen. Und damit hast Du das Gefühl der kompletten Überflüssigkeit.

Ja, wenn Du überlegst. Vor zweitausend oder tausend Jahren war es noch härteste Arbeit, damit Du überhaupt eine Bude über dem Kopf hattest. Hier – in Europa. Natürlich, in vielleicht 80% der Erde ist das so; die haben auch andere Probleme - der Begriff der Entfremdung ist ein moderner. Der hat etwas zu tun mit Überfluß. Du hattest nach Entfremdung gefragt – ich glaube nicht, daß ein Immigrant aus dem Kongo ein Entfremdungsproblem hat. Der hat ein Überlebensproblem. Das ist ein anderes.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

04

Ich glaube, es war immer unglaublich schwierig - für Menschen - Konstanz anzubieten, Sicherheiten anzubieten, und allein die ersten drei Jahre, die ja tatsächlich so sind, daß ein Individuum nicht alleine leben kann, die zu gewährleisten ist historisch glaube ich ganz selten möglich gewesen. Es ist ja eine Mangelentwicklung gewesen, was wir gehabt haben. Wir haben ja immer zu wenig gehabt. Das war einer Hauptmotoren, warum der Apparat so funktioniert. Und wenn Du heute schaust, ich meine – wieviel Milliarden haben wir, ich weiß nicht genau?  - Acht, oder? – Acht, acht komma fünf Milliarden Menschen. Was meinst Du, wie hoch der Prozentsatz von denjenigen ist, die tatsächlich ausreichend Zeit haben, Nähe und Geborgenheit zu vermitteln? Ich glaube, der ist ziemlich klein. Also da machen wir uns einfach was vor. Glaube ich, keine Ahnung, ich kenne keine Studien, aber ich halte das für einen ziemlich elitären Standpunkt den wir haben, daß es uns heute schlechter geht als damals. Das glaube ich nicht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

01

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

das EINE
ist
das KEINE

in dem Sinne
als

das ICH
 dem NICHTS
entspringt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

05

Wenn man jetzt sagt, warum entstehen also psychische Störungen häufiger, dann hängt das natürlich damit zusammen, daß die Umgebungsvariablen instabiler sind, daß sie sich schneller ändern und daß die Außenvariablen brechen, die ökonomischen Umstände sich mit einem hohen Tempo ändern und eigentlich ein hohes Maß an Flexibilität fordern.
Und dann gerade Leute, die eher eindimensional ausgeprägt sind oder starke Persönlichkeitsakzentuierungen haben dann unter die Räder kommen, und dann halt immer repetitiv die gleichen Muster anwenden. Das ist ja der Trick. Also unser… da kommen wir wieder zurück auf die Kontrolle. Also oberstes Ziel schaffe Kontrolle und die Illusion von Sicherheit. Unser emotionaler Apparat dient ja dazu, Dich schnell in einer Umgebung zu orientieren und Handlungsmuster einzureichen, die Dir ein maximales Maß an Kontrollmöglichkeit und Sicherheit geben. Und in aller Regel ist es so, daß Du in Kriesensituationen oder wenn es schwierig wird nicht neue Dinge entwirfst, sondern auf alte Mechanismen zurückgreifst, sie fortwährend versuchst, zu wiederholen Und wenn Du Pech hast, dann ist gerade dieser alte, sinnvolle Regulationsmechanismus jetzt völlig disfunktional.
D.h. es kann sein, daß genau dadurch, daß Du versuchst, wieder das gleiche zu machen, Du es immer schwieriger machst.
Nehmen wir ein Beispiel: Du hast einen ängstlichen Menschen, der gelernt hat, durch Unterwürfigkeit, Augenaufschläge und sexuelle Verführung ein Objekt zu binden. Das lernt er mit 14, 15, 16 und ist ziemlich erfolgreich und bindet einen Partner. So. Und jetzt geht der weg – oder droht zu gehen, weil ihm der ganze Laden auf die Nerven geht, und sie macht die gleichen Mechanismen wieder, d.h. sie jammert, sie ist unterwürfig, versucht, ihm alles recht zu machen, und er hält das einfach nicht mehr aus. Und wenn sie merkt, das greift nicht mehr, wird sie es um so stärker machen. Also weil ein Paradigmen- oder Handlungswechsel einfach in ihrem Repertoire nicht drin ist. Und in der Krise greift Mensch auf ehemals erfolgreiche Paradigmen zurück, weil er in Not ist. In der Regel. Und dann schlägt das zurück. D.h. es wird dann immer schlimmer und dann habe ich das, was man eine Krise nennt. Eine Krise ist ja eigentlich nur ein selbst sich beschleunigender Prozeß aufgrund alter, ehemals erfolgreicher Verhaltensmuster.
Ja, und dann gibt es ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder es gelingt, die Umgebungsvariablen wieder zurechtzurücken, oder ich muß meine Verhaltensmuster ändern, oder ich gehe unter.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

06

Laß eine Schauspielerin über die Straße laufen und wahllos hundert Männer ansprechen, ob sie Lust haben, mit ihr einen Kaffee zu trinken und anschließend zu schlafen, sagen 99 ja. Wie hoch ist der Freiheitsgrad von diesen hundert Männern? Der ist minim, ja. Trotzdem hat jeder einzelne die Vorstellung, es ist sein persönlicher, individueller Entschluß, daß er sich jetzt kurz gestattet mit diesem Weib mitzulaufen. Er ist ein armer Hirnhund, mehr ist er nicht.
Aber, der Witz ist ja dran, daß er tatsächlich so viel Illusion im Hirn hat, daß es seine individuelle Entscheidung ist, dabei ist er einfach ein testosterongetriebener Hirnhund. Und das gibt es in ganz, ganz vielen Bereichen. Soziale Anerkennung: Wenn ich jemandem die Chance gebe, daß er sozial aufsteigt, dann werden die meisten Menschen auf diese Leimrute kriechen und losmarschieren, und das alles als einen selbst entwickelten Prozeß entfalten. Im Prinzip lernen sie „How to play the rules“, und die Positivverstärker sind, daß wenn ich sie effektiv spiele die Regeln, dann geht´s immer besser. Und auch das wirkt, als ob es ein Freiheitsgrad war - ich verdanke mir oder meinem schöpferischen Potential die und die Entwicklungsprozesse – de facto spielen Dich längst die Regeln. Und Du hast gar keine Chance, wenn Du - wie alle Menschen weitgehend - so getuned bist, daß Du eine Balance brauchst zwischen sozialer Akzeptanz und sozialer Hierarchie – die wirst Du Dir einnehmen. Ansonsten bist Du unglücklich. Da hast Du nicht viele Möglichkeiten. Natürlich ist es beliebig, ob Du im Filmbusiness, in der Medizin oder in der Raumfahrttechnik arbeitest – das ist Zufall weitgehend und von Begabungen abhängig. Aber wo Du Dich positionierst und mit welcher Akribie Du arbeitest, damit Du die Position kriegst, die Deine Grundbedürfnisse ausbalanciert, da dürfte wenig Zufall dran sein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der GRUND
erlag
 seinen
FRAGEN

FOLGEBESCHREIBUNG

sinnlosES
erfreuen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

07

Worauf Du hinaus willst – das Bild mit den Rissen – das sind einfach Trägheiten eher. Also daß unser Gehirn so konfiguriert ist, daß es träge genug ist, das … das leuchtende Grauen -   oder wie man es nennen will - von dem, was wirklich ist, überhaupt wahrzunehmen. Und das ist keine Verdrängung. Also im Prinzip ist es ja so, daß wir in so einem kleinen Graubereich sind, der weder den ganzen Makrokosmos noch den Mikrokosmos überhaupt wahrnimmt. Das sind ja unendliche Dimensionen, die nach unten und die nach oben gehen. Wahrscheinlich gleich große Welten, wahrscheinlich ist der Mikrokosmos größer als der Makrokosmos. Und wir kriegen irgendwie so einen kleinen, schrumpfenden Anteil mit – was halt gerade so in unserer Wahrnehmung mittorkelt. Das kriegen wir mit. Das ist einfach eine Frage, wie unser Gehirn gerade getuned ist. Und wahrscheinlich ist es einfach ein minimaler, sensorischer Pegel, auf dem wir schwingen. Das, was wir halt gerade brauchen, damit wir mit Realität so umgehen, daß wir uns fortpflanzen. Und überleben. Aber es ist keine Verdrängung. Sondern Trägheit.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

08

Wenn man sich die Konflikttheorien anschaut, dann ist es ja so, daß die meisten Emotionen leider völlig brach liegen. Also wenn ich mir anschaue, wie der emotionale Zustand war zum Zeitpunkt nach dem ersten Weltkrieg – das hat etwas mit Scham zu tun gehabt, primär. Mit Demütigung und Scham, die massiv hoch gehalten worden sind und völlig präsent war, und auch diese hohe Bereitschaft gehabt hat, dann aus dieser Scham in die Aggression umzukippen. Das war ja praktisch die ganze Zeit am oszillieren, und das aggressive Potential konnte nur deshalb so hoch gehalten werden, weil die ganze Zeit der Schamapparat aktiviert worden ist. Das war völlig da. Und wenn du dann anschaust, diese ganzen Folgekriege, die im Balkan laufen oder in archaischen Strukturen in Afrika, das sind die einfachsten Mechanismen. Da geht es um Schuld, um Scham, um Demütigung und um Rache. Und diese Emotionen sind nur dann wirksam, wenn sie wirken. Und wenn sie wirken – ob sie nonbewußt sind oder nicht – sie sind jedenfalls spürbar und vorhanden, und nicht verdrängt. Das heißt, eine verdrängte Emotion – wenn es überhaupt so etwas gibt, ja – also eine nicht aktivierte Emotion wirkt nicht. Es gibt nicht so etwas, daß eine Emotion im Verborgenen, ohne daß sie aktiviert ist, Bedeutung hat. Also das ist so … wie ein Filmprojektor, der nur Filme zeigt, wenn du ihn anschaltest. Du kannst nicht sagen: Weil jetzt hier zehn unbenützte Filmprojektoren stehen, darum ist die Wahrscheinlichkeit, daß wir jetzt gleich den Film sehen, so und so hoch. Das ist einfach Krampf, ja. Und, Emotionen sind an- und abschaltbar, bestimmte Zustände sind an- und abschaltbar, und sie wirken nicht, wenn sie abgeschaltet sind. So wie Dich, wenn Du vergnügt mit Deiner Frau am Essen bist und am knutschen bist, dann treibt Dich nicht Hass. Es sei denn, Dir fällt irgendwas ein, daß Du merkst: Aha, die war jetzt vorher mit einem anderen Typen im Bett und sie sagt es mir nicht, dann treibt er Dich. Aber Hass spielt sonst keine Rolle. Und genauso kann ich hergehen und sagen: Ich begreife Beweggründe nur dann, wenn ich aktivierte Emotionen mir anschaue. Und aktivierte Emotionen sind aktiviert und nicht verdrängt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ICH
BIN
UNENDLICH

MEINE HEIMAT SIND EURE
                                                          
AU
GE
N

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

09

Ob die DNA sich als Baum repliziert oder als Mensch repliziert oder als Chemie, das ist immer der gleiche Prozeß. Es geht immer darum, daß genau der gleiche Apparat sich wiederholen will. Eine Möglichkeit dieser DNA ist es, sich als Mensch zu replizieren. Und dazu gehört, daß wir uns als Gehirn eigenständig, selbstzig als Individuum wahrnehmen und mit einer entsprechenden Lust und Verzweifelung handeln. Und uns eben der Illusion von Individualität hingeben. Was spaßbesetzt ist. Aber natürlich denkt nicht das Gen, sondern das Gehirn.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Also einer der Haupttricks, die wir verstehen müssen, ist, daß wir zwei Aufgaben haben. Wir haben erstens die Aufgabe, für uns als Individuum zu sorgen, daß wir überleben. Zweitens haben wir die Aufgabe, daß wir uns fortpflanzen. Um mich fortzupflanzen, muß ich zunächst überleben. Aber: In dem Augenblick, wo ich mindestens zwei Nachkommen habe, bin ich eigentlich eher überflüssig. Selbst einer hat wiederum unter anderen Bedingungen eine bessere Chance, sich zu reproduzieren. Also bin ich bereit, zu sterben oder alles aufzugeben, damit mein Nachkomme weiterkommt. Das ist „Selfish gene“, also das Gen denkt, nicht ich. Und das geht hin bis zum Suizid. Also ein Teilaspekt des Suizids ist z.B. das Abtragen von Schuld. Ja? Wenn ich starke Schuld auf mich geladen habe, werde ich aus meiner Sozialgemeinschaft ausgeschlossen. Die können mit mir nichts mehr anfangen. Damit gehe ich unter und meine Nachkommen mit mir. Ich kann aber zeigen durch einen Suizid, daß ich verstanden habe, daß ich Schuld auf mich genommen habe, und damit sühne ich sozusagen meine individuelle Schuld, und damit kriege ich meine Nachkommen weiter, wieder rein. Das sehe ich bis heute in diesen Riten in den meisten Armeen, die ja die Prototypen der alten Horden sind; in denen siehst du ganz deutlich, wenn ein Armeeangehöriger etwas verbrochen hat, dann gebe ich ihm die Pistole, und wenn er sich freundlich erschießt, dann bleibt er innerhalb der Armee. D.h. die Armee sorgt auch richtig tatsächlich für seine Nachkommen. Das ist wunderschön skizziert, weil die sind so archaisch, daß sie diese Kampfstrukturen einfach übernommen haben und verstanden haben, wie das funktioniert. Ich glaube verstanden haben sie es nicht, aber sie machen es halt. Also ist selbst der Suizid – und jetzt nicht in der Depression, sondern der willentliche Suizid -, der ja als eine der letzten individuellen Entscheidungen gilt, ist absolut evolviert: Und genetisch vorprogrammiert. Als Verhaltensmuster. Nochmal. Es geht nie darum, daß … einzelne Verhaltensweisen oder einzelne Handlungen sind natürlich nicht genetisch. Aber die Muster sind gelegt.
Und das fangen wir erst an, zu verstehen - langsam. Braucht halt Zeit.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

11

Das Wichtigste glaube ich ist, daß Freiheit nicht eine aktive Emotion ist, sondern das Bedürfnis nach Freiheit wird erzeugt in dem Augenblick, wo Deine individuelle Bedürftigkeit nicht passt in die Umgebungsvariablen. Oder Umgebungsbedingungen. Also solange das passt, solange du Deine Balance hast zwischen Geborgenheit, Sicherheit, Neugierkapazitäten, Dein Maß an Macht und sozialer Eingebundenheit und Anerkennung – solange das passt hast Du eigentlich … wahrscheinlich ein neutrales Gefühl von Zufriedenheit oder so was. Das ist es ja zunächst mal. Das ist nicht Glück, aber Zufriedenheit. Das ist das, was jeden Adoleszenten graust, weil er sagt „so will ich nie werden. Ich will Glück und nicht Zufriedenheit.“ Also gut – Du bist zufrieden. Und dann kriegst Du jetzt plötzlich Problemzonen darin. Das heißt, entweder die Umgebungsvariablen ändern sich deutlich, sodaß plötzlich ein paar Bedürfnisse nicht mehr befriedigt sind, und dann hast Du das Gefühl, daß irgendetwas nicht passt. Zum Beispiel kann es sein, daß Du Dich eingeengt fühlst. Oder du hast das Gefühl, Du kannst Dich nicht mehr weiterentwickeln, und und und … Und dann entsteht das Bedürfnis nach Bewegung, nach Veränderung. Und wenn das System starr ist und sich nicht verändern lässt, dann entsteht das Bedürfnis nach Freiheit. Also Freiheit ist eigentlich – genau – ist einfach ein Negativbedürfnis, das entsteht, wenn Passungen nicht funktionieren. Also individuell soziale Passungen nicht hinhauen.
Und ob Du das jetzt im Großkollektiv oder in der Partnerschaft hast – das ist das gleiche. Du fühlst Dich eingeengt und fängst an, zu rumoren, wenn sich das ändert. Aber solange das passt, spürst Du die Ketten, die Dich fesseln, nicht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

12

Also wenn man sagt, daß Angst eine Emotion ist, die Dich packt und bestimmt und determiniert. Dann gibt es ja eigentlich nur drei Möglichkeiten. Die erste ist, Du beschäftigst Dich mit Zuständen, die Dir Angst machen – und änderst sie. Wenn Du den Zustand ändern kannst, ist die Angst weg. Die zweite ist – wenn die Zustände nicht veränderbar sind, dann kannst Du mit der Angst persé umgehen. D.h., Du kannst mit der Emotion Angst umgehen und lernen, die abzudämmen. Da gibt es verschiedenste Techniken. Du kannst Dich ablenken, Dich mit interessanten Dingen beschäftigen, Du kannst sie relativieren und sagen „andere haben noch mehr Angst“ – also der ganze emotionale Apparat ist ja kein Festballon, sondern der kann hoch und runter getuned werden, das kann man lernen. Das heißt: Problem vorhanden, Emotion adäquat, aber Du kannst sie runterdrosseln. Die dritte Möglichkeit ist, zu sagen: Problem vorhanden, Emotion nicht bewältigbar – also akzeptiere ich es. Ich hab eine schwierige Situation, in der habe ich Angst und das ist so. Das ist „radical acceptance“ – radikale Akzeptanz der Situation. Und dann kannst Du noch viertens machen – Du machst alles drei nicht und dann wirst Du unglücklich. Also eigentlich bleiben nur die drei Möglichkeiten. Und da wir jetzt ja eher im Westen sind, und überhaupt, fängt man natürlich bei Problem lösen an, macht mit zweitens weiter und dann drittens guckt man in die radikale Akzeptanz – alle drei führen zu einer Verbesserung Deines Freiheitsgrades. Und Du mußt gucken, was Du machst. Freiheitsgrade in der Hinsicht, daß Du einfach die Nichtpassung Deiner Wahrnehmung von Angst, die Dich einschränkt in der Umsetzung von anderen Bedürfnissen, indem Du die reduzierst.
Und was immer überschätzt wird ist der Punkt radikaler Akzeptanz, d.h. Du kannst natürlich auch mit Angst leben. Und eben da geht es wieder in diese Urproblematik rein: Eigentlich ist alles ja extrem beängstigend. Also wenn man sagt, das Angst entsteht, wenn ich selbst oder jemand mir nahestehendes unmittelbar gefährdet ist. Natürlich bist Du unmittelbar gefährdet, und natürlich ist jemand, den Du liebst unmittelbar gefährdet. Und vor allem – das ist ja ganz wichtig – ist Angst zum Beispiel immer die Kehrseite von Liebe. Also wenn Du jemanden wirklich liebst, dann aktivierst Du ein starkes Bedürfnis nach Unendlichkeit. Oder? „Lust wants eternity“.

 

 

 

 

 

ICH
bin
die ZEIT

 

 

 

 

 

ich
erzwinge
ALLES
IMMER
JEDEN

 

 

 

 

 

 

Und deswegen wird dir einer, der wirklich liebt – am deutlichsten kriegst du das mit, wenn eine Mutter ein Kind liebt mit einer wirklich völligen Inbrünstigkeit, die ja bei Partnerschaften selten so erreicht wird – die ist gleichzeitig gepeinigt vor Angst, daß irgendwas passieren könnte oder dieser Moment zu Ende gehen könnte. Also Du kannst nur lieben, wenn Du die Kehrseite der Liebe, nämlich die Angst, daß der Moment sich auflöst, akzeptierst. Sonst geht es nicht. Oder sonst liebst Du abgedämmt. Also wenn man mal vom großen Lieben spricht: Die Vorraussetzung für große Liebe ist die Akzeptanz der großen Angst. Anders geht es nicht. Und da bist Du dann schon sehr im Spirituellen. Also wo immer Angst mit Liebe gekoppelt ist. Wenn Du die großen Zen-Meister hörst, also der Weg im Zen ist wirklich ein Kampf mit dem Feuerdrachen, und der Feuerdrachen ist die brutale, nackte Angst vor der Auflösung. Und das ist sozusagen das große Tor vor dem Gefühl der Verwundenheit, was dann - tatsächlich - ein Gefühl von Liebe ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

13

Also die Frage, warum dieser Sense of Control ein imaginierter ist …


Ja, ganz einfach. Da mußt Du ja nur kurz drüber nachdenken. Du hast Deine Atome, die sich gerade mal kurzfristig zusammengesetzt haben, waren auf circa drei Galaxien im Durchschnitt. Wir wissen inzwischen, daß in Deinem Körper mit einer hohen Wahrscheinlichkeit Atome sind, die auch in Newton, Einstein oder sonstwem waren – was ja zunächst mal ganz fröhlich ist, aber auch der ein oder andere Massenmörder hat sich in Dir versammelt. D.h. Du bist einfach ein … nicht mal ein Windhauch, das ist ziemlich viel … Du bist ein kurzes, zufällig zusammengesetztes Konglomerat von Atomen. Mehr nicht. Und die Erde ist 4,5 Milliarden alt und vorher war der ganze Schrott woanders und er wird in kürzester Zeit wieder woanders sein. Das ist die Wahrheit, die errechenbar ist.
Und die Tatsache, daß wir uns überhaupt in einer Raum-Zeit Konstellation befinden und uns als Ich und Selbst wahrnehmen, ist eine komplett illusionäre Arbeit, die unser Gehirn macht. Eine Mischung aus Trägheit und Synthese. Also auch das wissen wir.
Und von dem her - wenn wir sozusagen reinfühlen in diese Ich-Heit und zeitliche Geworfenheit, dann kommt uns eigentlich als erstes mal Zerstiebtheit und nacktes Grausen entgegen, wenn wir nicht anfangen würden, uns hier zu bluffen. Und das Gehirn arbeitet ganz stark an Bluffs. Und diese Bluffs sind hauptsächlich Wenn-Dann Konstruktionen. Also dieses Gefühl nicht nur der Kontrolle, in der Kontrolle steht ja die Bemachbarkeit. D.h. also es obliegt meiner Kompetenz, die Raum-Zeit Kontinuität von mir aufrecht zu erhalten. Das ist der entscheidende Punkt. Ich muß das Gefühl haben: Es liegt an mir und nicht am lieben Gott oder am Universum, ob ich jetzt ausgeschaltet werde. Und das ist ja dieses kurze Leuchten des Universums, das uns in einer maximalen Katastrophe erreicht, nämlich daß wir feststellen: Die Vorstellung, daß etwas kontrollierbar ist, ist eine Illusion. Die wird von uns emotional als Grauen erfaßt. Und wenn Du das nicht durchstehst, kriegst Du eine posttraumatische Streßerkrankung – das geht ziemlich schnell. Nach einem Autounfall hat immerhin ein drittel eine lebenslange, häufig schwere Störung anschließend, weil es ihnen gewahr wird wie ein Blitz, daß das einfach ein Joke ist, was wir uns in unserem Gehirn basteln. Ja, that´s it …

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

02

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

14 MOVING ROCKS

Und es gibt ja nur zwei Wege: Entweder ich gehe in die radikale Akzeptanz dessen, daß ich ein Haufen sich kurzfristig zusammengesellender Atome bin. Das ist Richtung Zen.
Oder ich leugne es mit aller Kraft und baue Sinn. Dann habe ich nur die Chance in die Religion zu gehen. Im Endeffekt. Denn der Gipfel aller Sinnstiftung ist natürlich ein religiöser Transzendenter, und da gibt es einfach in der Menschheit diese zwei Komponenten, die sehr stark kulturell auseinandergehen. Die eine geht praktisch in die Offensive und sagt: Ich baue Sinn, im Sinne von göttlicher Geworfenheit oder Vorherbestimmtheit. Und das andere ist halt in die andere Richtung, die sagt: OK, ich gehe den Weg in die Akzeptanz meiner Jämmerlichkeit oder Auflösbarkeit im dem Strahlen des Universums. Ich glaube der fröhlichere Prozeß ist der letzte. Der Zen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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15

Wenn wir diesen Kausalmechanismen folgen, haben wir verschiedene Spielwiesen, auf denen wir uns tummeln können. Wir können in die Wissenschaft gehen, wir können eben auch in die Religiösität gehen, wir können in den Determinismus gehen, in die Biologie, in die Geschichte – es ist eigentlich völlig egal: Jeder Mensch arbeitet, wenn er denn auf die Sinnschiene geht, mit irgendwelchen Wenn-Dann Konstruktionen. Also Kausalitäten. Kausalität erzeugt Sicherheit. Und zwar ist das angelegt, persé. Wahrscheinlich gibt es das deswegen. Und die andere Richtung, eben in die Non-Kausalität zu gehen, das ist ein Wagnis. Das erzeugt sofort Unsicherheit. Und deshalb ist es auch so schwierig, in diese andere Richtung zu gehen, obwohl sie genau so naheliegend ist, wie die kausale.
Und, Du mußt jetzt nicht in die großen Weltreligionen gehen, Du kannst auch kleine Geschichten machen, aber Du kommst nicht ohne Kausalität aus. Das kannst Du basteln, wie Du willst. Wen Dir irgend ein Scheiß passiert: Du fängst sofort an mit diesem Warum. Diese völlig bescheuerte Frage ´Warum muß das mir passieren´ ist immer die allererste, wenn Dir irgend ein Mist passiert. Und dann baust Du Dir Konstrukte zusammen. Das kann so blitzschnell gehen, daß Du es gar nicht merkst. Ganz häufig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

mit KREIDE
schrieb
ICH


MICH

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

16

Ich glaube, es ist natürlich ein Problem, in einer Gesellschaft aufzuwachsen, wo du nicht gebraucht wirst. Das ist nicht arg evolviert. Also normalerweise evolviert ist eine Situation, wo bestimmte Fertigkeiten, und zwar biologisch verankerte Fertigkeiten, positiv ratifiziert werden. D.h., wenn du stark bist, wenn du Feinde besiegen kannst, wenn du wohlwollend bist, sorgsam und treu bist, dann hast du eine relativ hohe Chance, daß du dich fortpflanzt. Also die Belohnung kriegst du in Form von Sicherheit, Nähe, Geborgenheit u.s.w. Seltsam wird es natürlich, wenn du jetzt alle diese Wunderbarigkeiten an den Tag legst, und es passiert überhaupt nichts. Dann läufst du einfach in die Leere. Und niemand findet es interessant, was du machst, die Frauen finden es nicht wichtig, deine Peer-Group löst sich auf – dann kriegst du ziemlich schnell das Gefühl von Entfremdung. Wobei ich einfach denke, Entfremdung heißt dann, daß deine evolvierten Verhaltensmuster nicht greifen. Du bist irgendwie im falschen Film. Und das passiert natürlich. Also in Zeiten, wo du auf alte Strukturen zurückgreifst und erwartest, daß die funktionieren. Und da haben wir natürlich das Problem, daß wir in einem unglaublich hohen Tempo diese Klassiker der männlichen Bedeutsamkeit – z.B. – auflösen. Wenn du Fertigkeiten erlernt hast, d.h. deine Neugierde befriedigt hast, dir Kompetenz erworben hast u.s.w., und das wird alles plötzlich wertlos, dann fällst du da in die Leere. Und das, denke ich, ist ein wirkliches Problem.
Die Frage, die dann kommt, ist, wie deckst du sowas ab. Das ist schon ernst zu nehmen. Da kommen dann diese Prozesse, wo du aus der Bedeutsamkeit … wenn sie nicht mehr greift, dann hast du ziemlich rasch nicht nur Entfremdungs- sondern auch Demütigungsgefühle, und die Demütigungsgefühle schlagen dann wiederum um in Haß – also dieses ganze Gefühl des Nicht-Gebraucht-Werdens. Das ist schon ein wichtiger Punkt. Und ich würde es lieber so nennen als Entfremdung, weil das kaschiert etwas. Es gibt eine ziemlich gute Arbeit – ich weiß nicht mehr von wem – über diese französischen Jugendunruhen, der so herausarbeitet, daß es tatsächlich primär um das Gefühl des Nicht-Gebraucht-Werdens geht. Also nicht so sehr, daß die zu wenig haben. Wir haben ja fast alles, was es an Luxus gibt, aber die sind überflüssig. Und das ist ein Phänomen, daß nicht vorgesehen ist in der Evolution. Ich sag mal: Für den Notfall sind die Jungs immer noch zum abschlachten zu gebrauchen. Also in den Krieg ziehen konnten sie noch immer. Und jetzt gibt es schon fünfzig Jahre kein Krieg mehr, also sind sie für diesen typisch männlichen Zeitvertreib auch nicht einsetzbar. Und wir haben einfach unglaubliche Massen an Menschen die tatsächlich einfach überflüssig sind. Und das ist schwierig. Und ich glaube da sollten wir uns sehr deutlich überlegen, was es an Alternativen gibt. Und ein ganz entscheidender Punkt ist, daß wir uns vergegenwärtigen, sehr klar vergegenwärtigen, daß wir die Bedeutung der Arbeit falsch einschätzen. Indem wir sagen, wir müssen eigentlich … also immer noch tut man so, als ob Arbeitslosigkeit ein vorübergehender Prozeß wäre. Kein Schwein geht her und sagt: OK, wir haben jetzt 4,5 Millionen, wir werden übernächstes Jahr sieben haben. Das ist so. Und wir werden uns damit beschäftigen müssen, daß wir andere Systeme bauen, die in der Lage sind, Gebraucht-Werden hervorzurufen, das Gefühl, gebraucht zu werden zu erzeugen anders als über Arbeit oder Produktionsprozesse. Und das ist der entscheidende Punkt. Also wir müssen raus gehen aus der Ebene, wo Männer immer noch ihr Bedürfen nach Wirksamkeit und nach Bedeutung – damit nach Reproduktionsmöglichkeiten praktisch evolviert vorhanden haben, müssen wir uns Wege suchen, wie diese ganzen Testosteronjäger in der Lage sind, Bedeutung zu erlangen ohne zu produzieren. Und das ist der haupt Challenge, den wir haben. Das muß die Soziologie zunächst mal anfangen, dann muß es langsam in die Politik gehen, und dann kann man aufhören, sich zu bescheißen. Und das ist ziemlich schwierig, ja? Ich meine, Sport ist eine Sache … die Tatsache, daß der Sport so hochzieht im Augenblick und auch so viel Kohle reinbringt ist ein erster Versuch, hier Bedeutungszusammenhänge oder Bedeutung zu basteln die unabhängig ist von der Produktion.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

der WERT
bestimmt
das WERTELOSE

in dem Sinne
als

das GLÜCK
das ZIEL
ist

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

17

Ich meine, wenn Menschen überhaupt irgend etwas auszeichnet … in dieser unglaublich kurzen Zeit, die die humane Spezies Zeit hatte, um sich zu entwickeln – das ist ja exponential hochgegangen mit einem wahnsinnigen Wissenszuwachs – dann ist es Neugierde. Und zwar der Neugierdstrieb ist mit Sicherheit, wenn man sich einfach nur anschaut, was uns unterscheidet, die stärkere Kraft als der Sexualtrieb. Der ist wahrscheinlich völlig überschätzt, der Sexualtrieb. Der ist nicht besonders ausgeprägt im Vergleich zu anderen Spezies, aber die Neugierde, die ist richtig massiv ausgeprägt. Und das wiederum muß ganz ganz stark positiv verstärkt sein und verankert sein. Also die Lust am kombinieren, die Lust am probieren, die Lust am – jetzt kommt auch wieder der Faktor Macht dazu – d.h. also Beherrschen von Systemen, das ist schon ganz ganz oben. Also das war so die zweite Komponente von Macht. Neben der Unterdrückung ist es einfach das spielerische Beherrschen von Systemen. Ich meine, es ist ja immer noch so, wenn man jemanden fragt, wo Glück herrscht, dann kann man sagen: Wenn Du es schaffst, einen Job zu haben, der Deine Neugierde auf tatsächlich kreative Art und Weise auf längere Hinsicht befriedigt, dann hast Du eigentlich schon das große Los gezogen. Was willst Du groß mehr. Für viele ist das das Ding. Im Endeffekt ist das ja der ganze Drive der Globalisierung. Das ist eine unglaubliche Explosion von Umsetzungen von Systemen, von Beschleunigung von Systemen und von einem Spaß, Dinge zu kombinieren und die zu machen. Und zwar ziemlich wahllos. Du kannst jemand mit einem gewissen Potential in ein System reinsetzten und sagen: Mach mal. Und dann wird der anfangen, die Regeln zu lernen, mit viel Lust die Regeln zu lernen und merken, wenn ich die verändere, passiert das und das, und dann wird er merken, es geht vorwärts, und dann wird er – das ist auch so ein Punkt - … in dieser verrückten Illusion, daß er, je mehr er dieses System internalisiert und damit eigentlich Part of the system wird, um so ein größeres Freiheitsgefühl hat er. Und um so mehr Lust hat er dabei. Was eine Illusion ist, weil er eigentlich nur part of the system wird.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

18

Jedes Kollektiv hat seine Regeln, unter welchen Bedingungen billigen wir wem Macht zu. Das ändert sich natürlich in Kollektiven, aber grundsätzlich herrschen im Querschnitt bestimmte Übereinstimmungen, die sagen, unter den und den Regeln billigen wir dem Macht zu. Und dann kann der potentiell das Maximum an Demütigung rausholen – wenn das Kollektiv diese Regeln anerkennt, dann passiert ihm gar nichts. Das ist eine Agreement-Situation, die zeitabhängig ist.
Und von dem her gibt es bei all denjenigen, die sich über Folter in Europa aufregen aber nicht in USA, ein Verständnis dafür, daß die Peer-Leader der Gruppe ein höheres Recht haben, ihre Macht zu verteidigen und das nachvollziehbarer ist, als wenn es jemand macht, der mittendrin oder gar weiter drunten. Das sieht man dann relativ schnell. Also wenn jemand, der untergeworfen ist, auch noch Macht ausübt bzw. demütigt, dann ist man sehr schnell zur Hand. Aber die da oben … das ist in dem System mitgedacht. Also das Recht zum Despotismus ist den Führungsfiguren mit anheim gestellt. Das ist ja klar – im Endeffekt muß man die da oben ja ein Stück ausstatten mit Sonderrechten.
Dafür zahlen die ja auch. Das ist ja genau der Punkt – im Maximalfall gelten Führungsfiguren als außerhalb der Gesellschaft stehend, was ja in der Urzeit tatsächlich Sinn des Ganzen war, d.h. die waren ja göttlich. Und als göttliche Wesen waren sie transzendente Mittelwesen und damit in so einer Dialektik zwischen beseelt durch die großen Gesetze, aber in der Beseelung waren sie göttlich und hatten die Sonderstellung, daß sie auch das komplette Recht über die Ausnahme der ganzen Sache hatten. Die durften ja töten, d.h. die maximale Willkür, indem sie Personifizierung der großen Gesetze waren. Das waren ja die frühen Führungsgestalten. Und das hat sich ein Stück weit abgeschwächt, aber die Grundidee, daß jemand, der führt, außerhalb des Kollektives steht und dann für diese moralischen Prozesse nicht verantwortlich gemacht wird, und dann aber, wenn es nicht klappt, auch eliminiert wird, nicht mehr zurück kommt, getötet wird. Das ist eine relativ normale Struktur. Erst in Demokratien können die sich ja resozialisieren. Weil sie auch nicht mit so einer Allmachtsfülle ausgestattet werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

das RECHT
gottes
erbitte
ICH
damit  ich  länger  lebe  als

 

DU

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

inferno

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

19

Ich glaube grundsätzlich, daß man alle diese Verhaltensmuster reduzieren kann, wenn man sie versteht. Ich meine, das ist ja der andere Teil der Menschheit, daß Verständnis über evolvierte Handlungstendenzen und Strukturen zumindest unter bestimmten Bedingungen akkulturiert werden kann und damit auch, zumindest phasenweise, kulturbedingte Normierungen stattfinden können, indem man gehen kann in diese Richtung. Das ist ja klar, ich meine der Demokratisierungsprozeß ist auch ein Entwicklungsprozeß. Das kann man natürlich - denke ich - weiter betreiben. Wobei natürlich die Bedingungen günstig sein müssen; das hängt sehr stark  von ökonomischen Bedingungen ab, u.a. von klimatischen Bedingungen und tausend anderen Sachen, aber potentiell geht das. So ist der Mensch ja Gott sei dank auch geschaffen. Das finde ich wichtig, ja. Also wenn man so soziobiologisch denkt, dann läuft man immer leicht Gefahr, mißverstanden zu werden. Das sei völlig defätistisch und deterministisch, und wo bleiben jetzt die Akkulturation, die Freiheitsgrade – ich denke, je mehr Du da weißt, je klarer Du auf der Dimension denkst, desto mehr Möglichkeiten hast Du dann, einzugreifen. Ich weiß es dann einfach vorher, daß unter bestimmten Bedingungen das und das auftaucht.


Also, es ist ja erschreckend, wie wenig dieses Wissen genutzt wird in der Politik. Das immer völlig wahnsinnig, was für Kardinalfehler gemacht werden. Nur mal ein Beispiel – ich weiß, es paßt nicht rein – aber ein Klassiker, wirklich Klassiker ist dieser irrsinnige Fehler, ein Volk anzugreifen, um dessen Führer abzuspalten. Die hast du im Irak, die Versuche, oder im Iran; also wir machen ein Wirtschaftsboykott, wir machen das und das, setzen das Kollektiv unter Druck, damit es sich gegen seine Führungsperson zusammenrottet und eine Opposition aufbaut. Es gibt kein einziges Beispiel der Weltgeschichte, wo das jemals gelungen ist. Es ist auch völliger Unsinn. Weil es grundsätzlich ein soziobiologisches Gesetz ist, daß in dem Augenblick, wo Druck von außen kommt, sich die – das ist bei Canetti schon beschrieben – sich die Organisationen hierarchisieren, und immer, wenn Kriegszustände drohen, Elitefiguren herausgebildet werden, die außerhalb der moralischen Codizes gestellt werden. Braucht es auch. Weil Kriegsführer in der Lage sein müssen, über Leben und Tod ohne Skrupel zu entscheiden. D.h. jemand von außen unter Druck zu setzen, praktisch ein Land in Kriegsbereitschaft zu setzen, und dann zu meinen, daß jetzt plötzlich moralische Gesetze diese Führungsfiguren zum Stürzen bringen, ist so was von blöd, daß man einfach sagt: Was da an Scheiße gemacht wird seit vielen Jahrzehnten – ich verstehe es einfach nicht. Also da kannst Du bloß noch rückschlagen und sagen: OK, also offensichtlich herrscht da ein ganz anderes Primärbedürfnis. Aber selbst der dümmste Medienmann müßte so was inzwischen wissen – es wird immer noch verkauft. Also da gibt es eine ganze Reihe von solchen kinderleichten Beispielen, die offensichtlich noch nicht kapiert sind.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

EIN SCHWARZES LOCH   RUHT IM ZENTRUM UNSERER

 

AU
GE
N

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

20

Ich denke, daß es da weiter geht. Das diese komplexeren, sozialen emotionalen Prozesse, die werden sich evolvieren wahrscheinlich. Das ist auch das, was wir dringend brauchen. Da sind wir einfach völlig… eben nicht evolviert. Wenn man sich anschaut, wie wir alle zwanzig, dreißig Jahre Massenvernichtungsprozesse vom Zaun tragen. Das ist schlicht und einfach, weil unser Verhalten nicht für komplexere Strukturen geschaffen ist. Noch. Um stabil zu bleiben. Wir schaffen es, in kleinen Gruppen stabil zu sein. Ich meine, dieser uralte Hobe-Gedanke – jede Sozietät muß irgendwie so überschaubar sein – ich glaube, sie haben sogar eine Zahl gesagt ... ich weiß jetzt nicht. Relativ klein. Das ist so lebbar. Und ich glaube, da hatten sie sehr Recht, also dafür sind wir evolviert, das geht. Und alles andere ist ein logischer  Entwicklungsprozeß aus dieser Dynamik zwischen sozialer Gebundenheit und Lust an Hierarchie.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Die eine Kraft zieht natürlich zurück und sagt: Bleib gleich, bleib wie wir, operiere nach den Gesetzen der Gruppe. Exponiere Dich nicht. Das ist die eine Kraft. Und die andere Kraft sagt: Exponiere Dich so stark wie möglich. Sei besonders, sei autonom, nimm Dir, was Du kriegen kannst, und möglichst viele Ressourcen und Fortpflanzungsmittel. Diese Zwei. Und wenn das ins Übergewicht kommt, wird es freiwillig nie im Leben zurückgehen. Braucht es ja nicht.
Und wenn Du guckst, wie Filmbewegungen aussehen, also diese alte Dialektik zwischen familiärer Gebundenheit im Hollywoodfilm und gleichzeitig den Massenkatastrophen, die im gleichen Land produziert werden – das ist genau das. Solange es geschafft wird, die Illusion hervorzurufen, daß du in deiner Peer-Group eigentlich deine primären Bedürfnisse befriedigst und gleichzeitig außen die anderen Prozesse machst, solange gibt es individuell, bei Dir, keinen Drive dazu. Und das ist das Problem. Daß es im einzelnen Wesen nicht evolviert ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

22

Es geht um die Entwicklung von den Eigenschaften, die die Peer-Group bindungsfähig machen. Und das ist primär Moral. Und die muß mit einem gleichen Tempo, mit einer gleichen Kraft und Dynamik eigentlich entwickelt werden wie die Hierarchisierung. Und daran krankt es im Augenblick. Das ist das, was wir merken. Auflösung von Moral. Und das ist kein … da braucht man keinen Zeigefinger zu machen, das ist ein normaler Prozeß – wir müssen nachfedern. Sonst gehen wir ein. Also sonst funktioniert das nicht. Sonst koppelt sich das System so ab und da oben schwirren ununterbrochen hierarchische Turbulenzen herum, die uns absolut unfähig machen, auf die Dauer.
Das hat ja Sinn gemacht. Ein Kollektiv, in dem die hierarchischen Strukturen zu starken Turbulenzen  unterworfen sind, geht unter. Weil zu viel Energie verbraucht wird in der permanenten Umstrukturierung. Von dem her kann es sein, daß zum Beispiel China – ich habe keine Ahnung wann in China, aber vom Modell her – daß diese Schwellenländer, die noch funktionierende Moralvorstellungen und eigentlich funktionierende Hierarchien haben, daß die in diesem dynamischen System, wie wir es jetzt haben, praktisch am kräftigsten sind. Weil die am wenigsten Zeit verjubeln oder Energie verjubeln in diesen fortwährenden Umwälzungsprozessen. Das kann sein. Das ist … ich denke jetzt einfach laut, es kann auch sein, daß es falsch ist. Aber das würde für mich so Sinn machen.

 

 

                                                                      
                                                                      

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

mein
an
lunge
nkreb
s
versto
rbene
r opa

 

                                                          

 

                                                          

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                          

 

erinnerte sich
                                                      

vergegenwärtigte
erzählte
gab
       
                                                      
dem kleinen Jungen
einen Satz mit auf den Weg

 

                                                          

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

bewahre dir
in deinem Inneren
eine gute Frage auf
sonst könntest du
an eben jenem Tag
sehr ratlos
vor den Schritten
deines Lebens stehen                                   

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

23

- Glaubst du, daß es da irgendwo so eine Kraft gibt in uns, die genau diesen Erkenntnisprozeß so erschwert?
Ja. Ganz klar. Also ich glaube, daß es eine ganz starke Kraft gibt, diesen soziobiologischen Erkenntnisprozeß zu erschweren, und das ist schlicht und einfach unsere Eitelkeit, unsere Hybris, unser … was weiß ich, was es ist. Unser nazistisches Bedürfnis als Menschen, uns außerhalb der normalen, biologischen Regulationsprozesse zu sehen. Und das ist … das war schon das Problem bei Darwin, wie lange es gedauert hat, das überhaupt anzuerkennen. Das war das Problem bei Freud, anzuerkennen, daß wir triebgesteuert sind. Und das ist jetzt die nächste Stufe, die es schwierig macht. Anzuerkennen, daß wir einfach auch nicht nur in unserem Individualverhalten, sondern in unserem Sozialverhalten einfach ganz bestimmten Gesetzen unterlaufen, die mit einer extrem hohen Wahrscheinlichkeit eintreten, wenn eben die Konfigurationen so sind. Das ist einfach kränkend. Kränkend in unserem uralten Selbstbild, daß wir … irgendwo God´s first choice sind. Da kannst Du ja zurückgehen: warum ist es so schwierig, sich die ganze kopernikanische Wende zu denken. Offensichtlich ist irgendwo in unserem Gehirn dieser Wunsch nach a) Einzigartigkeit, b) maximaler Entscheidungsmöglichkeit und c) das Bedürfnis nach dem maximalen Bluff.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

03

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

We may be uncertain how they move, but we do know how far they travel.

Their tracks are clearly visible on the playa surface.